Nichts so wie es scheint
„Ich muss an eine Welt außerhalb meiner eigenen Gedanken glauben. Ich muss daran glauben, dass das, was ich tue auch einen Sinn hat, selbst wenn ich mich nicht erinnern kann. Ich muss daran glauben, dass, wenn ich die Augen schließe, die Welt noch da ist. Glaube ich, dass die Welt noch da ist? Ist sie immer noch da? Ja. Wir alle brauchen Erinnerungen, damit wir nicht vergessen, wer wir sind. Das gilt auch für mich. Wo war ich stehen geblieben?“
– Leonard Shelby
Memento ist eines der Erstlings-Werke von Christopher Nolan und stammt aus dem Jahr 2000. Nolan machte sich mit Filmen wie „The Dark Knight“, „Interstellar“ und „Inception“ einen Namen. Wenn ihr dachtet „Inception“ wäre bereits anspruchsvoll und verwirrend, dann solltet ihr euch jetzt anschnallen. Memento spielt in einer ganz anderen Liga. Der Film ist extrem intelligent gemacht, also nichts für einen leichten Popcorn-Kinoabend. Das besondere an Memento ist nicht die Handlung, sondern die Montage des Films – doch eins nach dem anderen.

Wer den Film noch nicht gesehen hat und nichts vorweg genommen haben möchte, sollte jetzt aufpassen, denn es folgen Spoiler. Also Memento schauen und dann hier weiterlesen.
Story
Die Handlung ist relativ schnell erklärt: Die Frau des Hauptcharakters Leonard Shelby stirbt bei einem Einbruch. Außerdem verliert Leonard sein Kurzzeitgedächtnis bei diesem Ereignis, weil er am Kopf verletzt wird. Shelby schwört, sich an dem Einbrecher zu rächen. Daraufhin folgt eine Spurensuche und Verfolgungsjagd, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Hilfe bekommt er dabei von dem Polizisten Teddy Gammell. Soweit so gut, doch jetzt wird es interessant. Denn der Film verläuft nicht chronologisch, sondern anti-chronologisch. Das heißt die Handlung verläuft schrittweise rückwärts. Zuerst wird die letzte Szene gezeigt, dann die vorletzte, dann die vor-vorletzte und so weiter. Damit jedoch noch nicht genug: Neben der Haupthandlung gibt es auch noch eine Nebenhandlung, die in schwarz-weiß gezeigt wird und chronologisch abläuft. Diese zwei Handlungsstränge treffen dann im Finale des Films zusammen.
Analyse
Warum muss man eigentlich einen Film so unfassbar kompliziert machen?
Nun, das hat einen guten Grund, denn die Hauptfigur leidet an einer besonderen Art von Gedächtnisverlust. Sein Kurzzeitgedächtnis funktioniert nicht mehr. Leonard kann sich keine neuen Dinge mehr merken und er vergisst alles, was er neu lernt nach wenigen Momenten. Deshalb schreibt er sich Notizen, macht Fotos oder lässt sich tätowieren, um sich wichtige Informationen, die ihm bei der Aufklärung des Falles helfen, festzuhalten. Durch die geschickte Montage des Films wird der Zuschauer in die gleiche Situation gebracht. Er weiß nicht mehr, was vorher geschehen ist. Ähnlich wie Leonard wird er immer wieder in eine neue Umgebung geworfen und muss sich jedes mal neu orientieren. So gesehen ist der Zuschauer dem Hauptcharakter überlegen, da er niemals das gesamte Werk betrachten kann durch seinen Gedächtnisverlust. Die Montage des Filmes wird sozusagen zu einer Visualisierung der Psyche von Leonard Shelby.

Und das gelingt Nolan bis ins kleinste Detail, jede Szene ist perfekt aufeinander abgestimmt und alles passt in einander. Der Film wird auch nie langweilig, obwohl man das Ende eigentlich bereits zu Beginn gesehen hat. Denn es geht vorzugsweise nicht um das „Was“ sondern um das „Warum“. Warum erschießt Leonard einen Mann in der ersten Szene? Warum ist seine Kleidung dreckig? Wieso hat er eine Wunde im Gesicht? Zwar bewegt man sich mit dem fortlaufenden Film immer weiter auf seinen Anfang zu. Man geht sozusagen zurück zum Start. Aber gleichzeitig erhält man auf dem Weg dorthin immer wieder neue, unerwartete und wichtige Hinweise darauf, warum alles so gekommen ist, wie es in der vorherigen Szene erlebt wurde.
„Ich kann mir nicht merken, dich zu vergessen.“
– Leonard Shelby
